Liturgie - Der Zweite Blick
Das Bild vom Guten Hirten und seinen Schafen ist weder Aufforderung noch Einladung zum Nichtstun. Jesus sagt es: „Meine Schafe hören auf meine Stimme …“ Das ist die erste Aufgabe: Auf Gottes Wort zu hören. Und aus dem Hören folgt das Tun oder wie es Jesus sagt: „… und sie folgen mir.“
Nachfolge, das heißt zum Beispiel, zu sehen. Die zu sehen, die meine Hilfe brauchen. Und die Stimme zu erheben für die, die kein Gehör mehr finden.
Die berühmten drei Affen haben ihren Ursprung in einer Schrift des Konfuzius und bedeuteten die Aufforderung, „nichts Böses zu sehen, nichts Böses zu hören und nichts Böses zu sagen“.
Für die drei Schafe gilt: Es reicht nicht, nichts Böses zu tun, sondern ich muss bereit sein, das Gute zu tun.
Bibelwort:Johannes 10,27-30 (Evangelium vom 4. Sonntag der Osterzeit)
AUSGELEGT!
Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen.
Jesus, der gute Hirte – das ist das Bild, das man sich zu diesem Text vorstellen kann. Aber ist das heute noch attraktiv? Denn bei diesem Bild sind wir die Schafe, gut behütet zwar, aber offenbar auch gelenkt auf einen vorgegebenen Weg. Schnell läuten da bei manchen die Alarmglocken. Denn die freie Entscheidung für den eigenen Weg ist uns wichtig. Und wenn jemand einen Führungsanspruch erhebt, sind kritische Fragen angebracht. Die gute Nachricht: Das steht nicht im Widerspruch zu dieser Zusage. Was hier von Jesus in Aussicht gestellt wird, ist eine Vertrauensbeziehung, die aus einer Verbundenheit heraus Halt und Orientierung schenkt – ohne Ermahnung und erhobenen Zeigefinger. Wir werden nicht in die Enge getrieben. So gesehen bleiben unsere Schritte weiterhin unsere freie Entscheidung. Auch lockt und verführt Jesus uns nicht durch rosige Glücks- und Erfolgsversprechen. Niemals zugrunde gehen – das meint nicht das Ende der eigenen Verantwortung mit ihren Sorgen. Das meint vielmehr einen verlässlichen Grund, der uns nicht unter den Füßen weggezogen wird. Einen guten Grund für Liebe.
Susanne Brandt
Quelle: Bermoser + Höller Verlag AG
Grafik: Karl Knospe
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